PF – du sperrige Geliebte

Da geht einem auch als „Reingeschmeckte“, also nicht in Pforzheim Geborene, das Herz auf. Oder gerade deshalb. Bekannt dafür, ihre eigenen Stadt über den grünen Klee zu loben, sind die Pforzheimer ja nicht gerade. Da müssen schon Auswärtige reinschneien, die die Vorzüge der Stadt preisen und deren Historie gespannt in sich aufsaugen. Und die werden mit diesem Band vor Freude hüpfen. Die Pforzheimer hoffentlich auch…

„Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim“ von Stefan Pätzold

Der Verlag ging pleite, mit ihm ging auch die erste Auflage des Buches „Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim“ unter. Mit Glück konnte man dieses noch im Antiquariat erhaschen. Freunde der Historie der so genannten Goldstadt werden sich jetzt die Hände reiben: Der „verlag regionalkultur“ hat das Buch neu aufgelegt. Und nicht nur das: Autor Stefan Pätzold hat neue Erkenntnisse eingebaut und die „letzten 20 Jahre bis 2000“ noch ergänzt. Dass der heutige Leiter des Stadtarchivs in Mülheim an der Ruhr diese Aufgabe übernommen hat kommt nicht von ungefähr: In den Jahren 2001 bis 2005 war er als wissenschaftlicher Archivar in Pforzheim tätig. Und lief bei dieser Gelegenheit Verlagsleiter Reiner Schmidt über den Weg. „Es war ein gegenseitiges Suchen und Finden“, sagt Stefan Pätzold. Im Prinzip hat man dann seiner Schilderung nach aus einem Mund gesprochen – dass es an der Zeit sei, das Buch über die Geschichte Pforzheims wieder aufzulegen. Die Nachfrage war da.

„Recherchieren ist schön, aber….“

Es sollte aber vier weitere Jahre dauern, bis es soweit war und für Stefan Pätzold die Arbeit des Korrekturlesens beginnen konnte. „Recherchieren ist schön, aber beim Korrekturlesen hört der Spaß auf“, sagt er lachend im Telefoninterview.

Für ihn kam noch eine weitere Hürde hinzu, die er nehmen musste: „Das Buch hab ich ja in Bochum fertig geschrieben und war eigentlich schon auf dem Weg nach Mülheim.“ Das Werk fern von Pforzheim vollenden zu müssen habe ihn schon „etwas abgetörnt“. Denn: „Man muss eine Stadt erlaufen, um über sie schreiben zu können.“ Sie unter die Füße kriegen nennt er das. Auch wichtig für einen wissenschaftlich arbeitenden Archivar: Gespräche mit den Menschen aus seinem Bereich führen, Hinweise auf Quellen ergattern, stapelweise Bücher lesen. „Als Historiker bin ich ja nur ein Zwerg auf den Schultern eines älteren Riesen“, bezieht sich Pätzold auf die Tatsache, dass auch über Pforzheim (unter anderem von den Historikern Hans-Georg Zier,  Hans-Peter Becht und Denkmalpfleger Christoph Timm) schon einiges geschrieben wurde.

Auch um den braunen Sumpf macht er keinen Bogen

Die neuen Erkenntnisse, die Stefan Pätzold nun in die neue zweite Auflage einarbeitete beziehen sich auch auf die Nazizeit: „Das war keine Bande rechter Verbrecher“, die sich Pforzheim einverleibt hat. Die laut Pätzold bittere Erkenntnis lautet, dass die Pforzheimer dem Führer „zugejubelt“ und sich „bereitwillig ins Reich eingliedern“ ließen. Die Verwaltung habe, so der Autor, schnell „einen braunen Kurs eingeschlagen“. „Pforzheim war braun und es war freiwillig braun.“ In den 80er-Jahren hätte man dies so nicht ohne weiteres formulieren können, aber „nun ist die Zeit reif für differenziertes Denken“ glaubt er. Davon abgesehen schlägt sein Herz vor allem höher, je näher er sich dem Kapitel Mittelalter – sein Steckenpferd – nähert. Voller Bewunderung spricht er davon, dass „Pforzheim fast Universitätsstadt geworden wäre“. Und die Stiftskirche St. Michael (neben der Enz einer seiner Lieblingsorte) fast als Residenzkirche Mittelpunkt eines universitären Lebens.

Die Stadt freilich machte bei seinem Amtsantritt einen irritierenden ersten Eindruck auf ihn. „Ich hatte mich eingelesen, wusste, dass Pforzheim eine lange Geschichte hat“ und traf dann auf „den äußerst modernen Charme der 50er-Jahre“, wie er ironisch bemerkt. Mit Denkmalpfleger Christoph Timm ging er dann auf Tour und „dann habe ich es begriffen“. An der Enz entlang zu gehen, wissend, dass hier einst die Römer lagerten, das ergreift ihn immer noch. Welcher Ort könne so etwas schon von sich behaupten. „In Niedersachsen muss man ja auf Karl den Großen warten, davor war ja nichts“, sagt er lachend.

Stefan Pätzold

Stefan Pätzold war von 2001 bis 2005 als wissenschaftlicher Archivar bei der Stadt Pforzheim tätig. Danach war er stellvertretender Leiter des Bochumer Zentrums für Stadtgeschichte; seit Mai 2020 ist er Leiter des Stadtarchivs in Mühlheim an der Ruhr. Er lebt in Bochum.

Fundiert, kompakt, übersichtlich, lesbar und mit kleinen Anekdoten gespickt die facettenreiche Geschichte Pforzheims von der Ur- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart darstellend:

„Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim“ von Stefan Pätzold. Erschienen im „verlag regionalkultur“. ISBN 978-3-95505-207-2. 19,90 Euro.

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