Bunt, schrill, zahm, geradlinig, verworren, verwirrend, überraschend, Staunen auslösend, glücksgefühlige Kunst in vier Hallen: die „art Karlsruhe“. Vielleicht ist es ganz gut, wenn man da einfach seinen Kopf ausschaltet und seinem Gefühl folgt. Das sagt mir nach einigen Jahren der Kunstbetrachtung – wohlgemerkt aus einer Liebe und einer Hingabe heraus, nicht aus wissenschaftlicher Lupen-Betrachterei: weniger ist mehr. Auffallen muss es. Herausstechen. Mich aus den Socken hauen. Ein Tag reicht vielleicht nicht, so viele Socken habe ich gar nicht. Brauch ich auch nicht. Zwei Künstler sind mir besonders in Erinnerung geblieben: Ramazan Can und Peter Churcher (zu Letzterem mehr im nächsten Beitrag). Und natürlich Stefan Faas. Aber das ist eine andere Geschichte – ein guter, alter Bekannter aus dem Enzkreis, über den ich schon mehrmals geschrieben habe und der momentan durch die Decke geht. Hoffe ich jedenfalls. Allein schon mit mehreren Arbeiten bei der „art“ vertreten zu sein kommt einem Ritterschlag gleich.
Wer mich aber echt absolut und total alles andere ausblenden ließ ist Ramazan Can (vertreten durch die Galerie Anna Laudel – Istanbul/Düsseldorf). Was ist das? Betonwürfel mit Stoff? Es ist Beton und es scheint, als ob sich aus dem Beton die Reste eines Teppichs herauswinden wollen oder sich in ihr Schicksal fügen. Als ob sie aus den Spalt im Beton herausschielen, nach Luft schnappen.
Der erst 31-jährige Künstler aus der Türkei scheint die Kunstwelt aufzumischen. Erst in Dubai, bald wohl auch in New York und in Karlsruhe sowieso. Die Teppich-Reste stecken in Betonwänden, rollen sich in einer Nische zusammen oder werden in besagte Würfel gepresst. Damit symbolisiert er die Situation an der Schwarzmeerküste – wo seine Familie lebt und die Tradition des Teppichknüpfens pflegt. (Er selbst wohnt in Ankara.) Und dort, am Schwarzen Meer, kämpft die Tradition mit der Moderne. Teeplantagen müssen Betonbauten weichen, Hochhäuser wachsen wie Pilze aus dem Boden, Touristen erobern die Region.
Und genau diese Verdrängung der Traditionen, der gewachsenen Strukturen, den Wandel der Zeit drücken seine Arbeiten aus. Ohne Zeigefinger, ohne schrille politische Botschaft. Sie sind einfach da. Fest. Aus Beton. Sachlich. Und doch berührt einem dieser eingeschlossene Zipfel Teppich auf irgendeine Art. Und einer davon lenkt jetzt in meinem Büro immer wieder den Blick auf sich und lässt mich nachdenken. Und der Faszination nachspüren, die diese ungewöhnliche Verbindung von Teppich und Beton in mir auslöst.