Genau das habe ich nämlich getan zu Beginn meiner leidenschaftlichen Laufbahn als Journalistin. Mehr Leiden als -schaftlich. Denn Schauspielern, das lag mir überhaupt nicht. Oder etwas nassforsch Fragen in den Raum ballern. Noch nicht mal das selbstbewusste Auftreten. Ich wusste nur: Ich will das! Jeden schön geschriebenen Satz von Kollegen habe ich zu Beginn meines Volontariats aufgesaugt wie ein Schwamm das Wasser. Und ich wollte es genau so machen. Es gab da mit gerade mal 20 Jährchen auf dem Buckel nur ein Problem: ich selbst. Heute weiß ich: Einfach mal die Klappe aufmachen (aber nie zu weit, es sollte schon etwas dahinter stecken) und einfach mal drauflosmarschieren und drauflosfragen. Mehr als Nein oder „dazu sage ich nichts“ kann ja nicht zurück kommen.
Den Kopf gewaschen
Aber irgendwie waren alle in der Redaktion immer so beschäftigt und so im Stress und hatten so wenig Lust, sich mit einem Küken abzugeben. Also habe ich mich möglichst klein gemacht, um möglichst unauffällig im Schatten mitzuhuschen. Aber Schattendasein ist nichts für Journalisten und angehende Redakteurinnen. Mäuschen spielen schon. Aber wer etwas in Erfahrung bringen will muss sich schon rantrauen an den Speck.
Man kann schon sagen, dass ich meinem ersten Redaktionsleiter bei der Tageszeitung zu verdanken habe, dass der Knoten geplatzt ist. Das hat er direkt und unverblümt ins Gesicht gesagt, dass das nichts wird, wenn „du so weitermachst“. Von da an habe ich mich aus dem Schneckenhaus getraut, um einen Fasnachtsnarren zu interviewen, um eine Geschichte darüber zu machen, wie ausländische Mitbürger (ja, man sagt heute: Menschen mit Migrationshintergrund) Weihnachten feiern. Mit jeder Zeile, mit jedem Foto, das brauchbar und sogar noch recht gut aus der Dunkelkammer kam stieg das Selbstbewusstsein. Und einen Blick fürs Motiv, den hatte ich schon immer. Und einen Instinkt dafür, was einen Artikel ausmacht auch. Ich musste mich nur trauen.
Leicht war es nicht, während der Ausbildung (Volontariat) alle zwei Monate in eine andere Stadt versetzt zu werden. Wieder eine Unterkunft suchen zu müssen, wieder mit einem mehr oder weniger gewillten Chef auskommen zu müssen. Nicht immer waren es Vorbilder. Und schon gar nicht menschlich betrachtet. Wer die Vorzüge einer Volontärin eher im Optischen, denn in ihrer Arbeit sieht… na ja. Mit jeder Redaktion lernte ich mehr, mich in der Männerwelt zu behaupten. Siehe große Klappe. Die wuchs auf jeden Fall.
Es gibt durchaus Erinnerungen, die man immer mal wieder gern aus der Mottenkiste ausgräbt. Im Südschwarzwald etwa pflegten in idyllisch gelegenen Hotels unweit von Freiburg im Breisgau gelegen auch mal große Stars abzusteigen. Natürlich musste man als Tageszeitung vor Ort hin, um möglichst einen Blick auf die zu erhaschen, ein Foto zu machen und ihnen vielleicht noch eine Aussage über den Ort zu entlocken. Möglichst eine positive natürlich.
„War´s das jetzt? Und Tschüß
So kommt es, dass ich eines Tages bei ekligen Minustemperaturen vor einem Hotel stehe, mit weiteren Kollegen, und mindestens genauso friere wie die zwei Pferde, die vor einen Schlitten gespannt (ja, damals gab es noch Schnee) auf Udo Jürgens warten. Einige Atemwolken steigen in die Luft, bis sich der Star bequemt, sich blicken zu lassen. Mit mürrischem Blick steigt er in den Schlitten, knipst sein Lächeln an, schaut in die Kamera. „War´s das?“ Dreht sich weg und verschwindet. Die Frage bleibt ungestellt und damit auch unbeantwortet. Man soll ja nichts Schlechtes über Tote sagen, aber da war ich ziemlich enttäuscht.
Marius ist der Beste
Dafür sorgt ein weiterer Gast wenig später für einen Höhenflug, der genau genommen heute noch anhält. Mitte der 1980er-Jahre steigt nämlich außerdem Marius Müller-Westernhagen im gleichen Hotel ab. Mitgebracht hat er seine dunkelhäutige Schönheit, das sieht natürlich klasse aus – auch in Schwarz-Weiß – denn damals gab es noch keine Farbfotos. Die hätte man dann auch nicht selbst entwickeln können. Jedenfalls bin ich total sprachlos, als Marius Müller-Westernhagen mir nach dem Fotoshooting anbietet, noch ein paar Schritte durch den Park zu gehen, damit ich ihm Fragen stellen kann. Oh Gott. Oh Gott. Zum Glück fällt mir noch ein, dass er mal ein Lied über „dünne Heringe“ gesungen hat. Er ist ja selbst einer. Also frage ich ihn nach seiner Einstellung dazu. Und er erzählt… von seinem Sportprogramm… und wie es zu dem Lied kam… und…. so genau weiß ich es nicht mehr. Nur noch, dass ich – mit einem Autogramm in der Tasche – zurück in die Redaktion schwebe. An dem Tag kann mir keiner mehr. Wolke sieben ist besetzt. Von mir. Und kein Artikel hat je so Spaß gemacht zu schreiben wie dieser.
Sieht man es meiner alten Leder-Fototasche an, wo sie überall war? Wenn die erzählen könnte. Und erst der Inhalt…. Bald wird sie wieder (aus-)plaudern. Seid gespannt.