Aalglatt ist anders…

Will heißen: Aalglatt liest es sich nicht… aber hinterher ist man um einiges schlauer. Und hey, wenn der Aal es schafft, sich von seinem Geburtsort in der Sargassosee (im nordwestlichn Teil des Atlantik) als larvenartiges Wesen mit winzigem Kopf und dem Aussehen eines Weidenblatts vom Golfstrom geschaukelt tausende Kilometer bis an die europäischen Küsten innerhalb von drei Jahren zu gelangen… dann kann man von einem Leser auch erwarten, dass er sich durch knapp 250 Seiten windet.

Ein Spaziergang ist es nicht, das Buch von Patrik Svensson zu lesen, aber letztlich ist es dann doch zum Niederknien, „Das Evangelium der Aale“. Das tut man unwillkürlich schon beim Gedanken daran, wie viel der Schwede recherchiert hat. Und dann kann man auch gleich den Hut ziehen, denn sein Erstlingswerk wurde gleich in 30 Sprachen übersetzt.

Mal ehrlich: Es sind ja eher unschöne Bilder, die einem in den Kopf kommen, wenn man an den Aal denkt. Sofort und messerscharf taucht die Szene von „Die Blechtrommel“ auf, als die Familie mit dem gläserzerspringend schreienden Oskar am Strand einen Pferdekopf findet, in dem sich die Aale zu verlustieren scheinen. Bäh. Igitt. Und was ist das überhaupt für ein komisches Wesen, dieser Aal?

Man muss wohl schon als Kind in Berührung gekommen sein beim Aalangeln, wie das bei Patrik Svensson der Fall ist, der in der Nähe der Aalküste aufwächst. Und einen Fisch in den Mittelpunkt rückt, der genau genommen das Fischsein hinter sich lässt – indem er zum Beispiel in der Lage ist, sich zur Not stundenlang durch Gras zu schlängeln bis seine Kiemen wieder von Wasser umspült werden.

Auch wenn der Schwede den Aal quasi verbal seziert, ihn wissenschaftlich und sogar kulturhistorisch untersucht, mit Forschern im 19. Jahrhundert in See sticht, sich seiner schlängelnden Bewegung auch auf philosophischem Weg nähert – ein Stück weit bleibt der Aal ein Geheimnis. Und das ist es, was der Autor in allem gebotenen Respekt vor diesem Lebewesen ihm auch zugestehen will.

Ein seltenes Buch. Eines, das mit einer tiefen Hingabe zur Natur und seinen Geschöpfen geschrieben wurde. Ein lesenswertes. Ein archivierenswertes.

 

Patrik Svensson: Das Evangelium der Aale. Erschienen im Carl Hanser Verlag. ISBN 978-3-446-26584-4. 22 Euro.

 

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