Buchstabensuppe

Erst muss der Ofen kalt sein

Das muss man aushalten können: Mindestens einen Tag zu warten, bis man weiß, ob man ein gutes Händchen hatte. Denn erst, wenn die Luke des Brennofens geöffnet werden darf weiß Anja Oberrauch, wie das Ergebnis ihrer Bemühungen aussieht. Und das kann auch mal schief gehen, denn die Künstlerin, die sich autodidaktisch über viele Jahre hinweg an „gebrannte Kunst“ heran gepirscht hat probiert auch gern mal was Neues aus.

Als sie in ihrem Haus im Enzkreis in etwas wühlt, das aussieht wie eine üppige Buchstabensuppe fällt ihr ein O in die Hand, das aussieht, als ob jemand eine blaue Zuckerglasur darüber getröpfelt hätte. Eigentlich ein misslungener Versuch. Aber ein schöner. Sie habe, so sagt die Kunsthandwerkerin, die Glasur nicht genügend verdünnt. Die Konsistenz der blauen Glasur war zu zähflüssig, dann ist eben ein gesprenkeltes O aus dem Brennofen gekommen. Und eigentlich gefällt es ihr jetzt ganz gut.

Try and Error

So oder so: „Was ich schon alles kaputt gemacht habe…“ Anja Oberrauch winkt ab. Try and error – das gehört dazu. Glasuren scheinen irgendwie auch ein Eigenleben zu haben. Auf die Mischung kommt es an; darauf, wie dick man sie aufträgt; auf die Temperatur im Ofen. Das sind alles Erfahrungswerte, die man nur durch Ausprobieren gewinnen kann. Und Erfahrung hat Anja Oberrauch. Weit und breit sei sie die Einzige, die seit Neuestem Buchstaben herstellt und noch länger Mosaik-Kunstwerke. Wobei sie auch gleich dazu sagt, dass sie es eigentlich nicht mag, wenn man sie Künstlerin nennt. „Ich bin Kunsthandwerkerin.“ Dann lenkt sie ein: Die Sitzbank, die sie in Ludwigsburg zum Gedenken an Schiller kreiert hat, die würde sie schon als Kunst bezeichnen. „Das war was… vor allem die Schrift.“ Die wohl gemerkt zwei Millimeter auf ein Zentimeter winzig war und doch lesbar sein musste. Eine Bank für Schiller: Unter diesem Motto hat die Stadt Ludwigsburg im Schillerjahr 2005 von 46 Künstlern eine Sitzbank kreieren lassen. Und Anja Oberrauch war dabei und hat ihre auffallende Mosaik-Sitzbank mit Schillerschen Zitaten verziert. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Lothar Späth hat die Sitzbänke dann versteigert. Unvergesslich sein Kommentar zur Oberrauch-Bank: „Des war aber e Gschäft!“ Anja Oberrauch grinst und freut sich heute noch über den Kommentar. Auch auf die Säule, die in Pforzheim vor dem „Kinderglück“ an der Zerrenner Straße/Dillsteiner Straße steht, ist sie stolz. Die hat ihre Pforzheimer Mäzenin gekauft.

Man ahnt die Mühe. Und man weiß es doch nicht. Denn jedes Teil beim Mosaik muss an den richtigen Platz gesetzt werden, bevor die Fläche trocknet; bei der Schrift müssen die kleinen Bruchteile der Fliesen vor allem punktgenau sitzen.

Wie bei einem Puzzle, nur komplizierter

Es ist fast wie bei einem Puzzle, nur komplizierter. Bei ihren Mosaik-Herzen oder ihren Mosaik-Vasen gießt die Kunsthandwerkerin Anja Oberrauch flüssigen Ton in eine Gipsform. Das muss dann erst mal trocknen. Ansonsten steht der Brennofen, der im nächsten Schritt seine Arbeit aufnehmen muss, in der Firma ihres Mannes. Beim ersten Brand reichen 980 Grad Celsius. „Dann muss das Ganze geputzt und gewaschen werden.“ Im Fall der Mosaiken kommt dann Silikon zum Einsatz. „Das nehme ich ganz gern, weil es noch so gut formbar ist“, sagt sie. In das Silikon wird dann die Scherbe gedrückt.

Seit geraumer Zeit nun hat sie das Alphabet in vielfacher Form vor sich. Die Formen kommen aus den USA – sie hat diese von einer guten Bekannten bekommen, die mit dem Buchstabengeschäft aufgehört hat. Jetzt fließt bei ihr der flüssige Ton hinein. Besagtes Prozedere, dann kommt der zweite Brand mit einer Temperatur von 1040 Grad Celsius. Da braucht der Ofen allein schon zwölf Stunden, bis er die gewünschte Temperatur erreicht hat. Bis dahin hat Anja Oberrauch drei oder vier Mal die Stücke mit Glasur eingepinselt. Und dann rein damit. Der Brand dauert nur wenige Stunden, aber einfach die Tür aufreißen geht nicht, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass die Stücke platzen. Perlmutt- und Pastell-Töne sind momentan ihre Favoriten.

Hundepippi mag sie nicht

Ihre Mosaiksäule in Pforzheim hat sie kürzlich mal wieder besucht. Und sich gefreut, dass diese wieder frisch geputzt erstrahlt. Da habe sie, erzählt sie lachend, vor kurzem auch mit einer Frau geschimpft, deren Hund an die Säule gepinkelt habe.

www.mosaique-anjaoberrauch.de

0049 176 81 09 05 78

ROTHstift
Postfach 91 01 26
75091 Pforzheim

srth@gmx.de