Sogar Warten liefert Stoff

Bei den Fotografen ist das so: Die haben einfach einen Blick fürs Motiv. Im Kopf macht es Klick, bevor die Kamera überhaupt ausgepackt ist. Bei Hatto Zeidler aus Knittlingen ist in Gedanken schon das erste Stichwort notiert, bevor der den Block in der Hand hält. Wer feine Antennen hat und auch feine Nuancen des menschlichen Miteinanders wahrnimmt, automatisch, der kann nicht anders. Und zum Beobachten hat der Kunsthistoriker aus Knittlingen in den Jahren 2013 bis 2017 jede Menge gehabt.

Das „Prontole“ muss auf den Titel

Wenn etwa seine Frau Uta Süße-Krause sich bäuchlings auf dem „Protestantischen Friedhof“ in Rom auf die Lauer legte, um die dort lebenden Katzen zu porträtieren. Und gefühlt eine halbe Ewigkeit damit verbracht hat, einen scheuen Kater in richtige Position zu „spielen“, um das Titelbild mit „Prontole“ zu schießen.  Wobei klar ist, dass sich Prontole vom italienischen Wort pronto (übersetzt: bereit) ableitet. Oder wenn das Paar in der Ewigen Stadt unterwegs war in diesen Jahren. Manchmal mit dem früheren Ephorus des Maulbronner Seminars Tobias Küenzlen. Manchmal allein. Immer aber war es ein kleines Abenteuer. Genau genommen mehr als 28 an der Zahl, aber 28 haben nur in das neue, dritte Buch von Hatto Zeidler gepasst, das nun im Klotz Verlag erschienen ist.

Rom steht im Mittelpunkt, aber das Ehepaar ist auch bis nach Süditalien gereist und hat auch das Gebiet Cinque Terre besucht. „Meine Lieblingsgeschichte“, sagt der 81-jährige Hatto Zeidler. Man muss sagen: Das ist sie vielleicht jetzt. Denn zum Zeitpunkt des Entstehens war das wohl alles andere als lustig, wie das Paar versuchte, die Absperrung des weltberühmten Felsensteigs zu umgehen und dabei „alle Arten von Kaputtheit“ auf steilen, brösligen Stufen kennenlernte.

Das Päckchen, das dann doch nicht auf die Reise geht

Oder die Kurzgeschichte über den Versuch, ein Päckchen von Rom aus nach Deutschland zu schicken. Kauderwelsch, Gebärdensprache, 19 Euro Porto und ein Päckchen, das dann doch nicht abgeschickt wird. Da können auch die vielen Engel nichts ausrichten, die das Buch bevölkern und vom Vollmond beleuchtet mit dem Schreibgriffel in der Hand auf Lesenswertes hinzuweisen scheinen (von Uta Süße-Krause fotografiert). „Es ist kein Reisebuch und auch kein kunsthistorisches, die sind ja oft langweilig“, erklärt Hatto Zeidler. Ihm liegt vielmehr daran, alltägliche Begebenheiten schmunzelnd zu erzählen, die er Anfang des Jahres im Winterurlaub abends sortiert und geschrieben hat. Ein bisschen gewürzt mit Bildung, aber wohl dosiert untergejubelt.

Das Buch kann man auch als Liebeserklärung an seine Frau sehen, durch deren kommunikatives und aufgewecktes Wesen er viel erlebt. Und viele Menschen kennenlernt. Auch einen finnischen Stipendiaten der Villa Massimo. Dessen Bilder sich dann aber – erst zum heimlichen Entsetzen und später grinsend zur offenen Ergötzung – als reine Pornografie erweisen. Die Geschichte ist nicht im Buch. Aber vielleicht im nächsten.

Hatto Zeidler: Post aus Rom. Erschienen im J.S. Klotz Verlag. ISBN 978-3-948424-56-5; 19,90 Euro.

(Da keine öffentliche Lesung stattfinden kann liest Hatto Zeidler in seinem Atelier, auf youtube zu sehen.

Es ist nach dem Episodenroman „Das Kanuhaus“ und dem Erzählband „Ein Badener in Lappland“ sein drittes Buch.)

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