Der kleine Große

Ich gebe es zu: Als ich vor 16 Jahren oder so (schlechtes Zeitgedächtnis) nach Pforzheim gezogen bin habe ich mich zunächst gewundert, wo denn bitte die Goldstadt sein soll… (um zu merken, dass erstens nicht alles Gold ist was glänzt und zweitens das Gold dieser Stadt nicht nur auf Schmuck bezogen werden muss, sondern auf den kulturellen Reichtum dieser Stadt). Na ja, und dann hat diese Stadt offenbar ein weltweit bekanntes Schmuckmuseum. Schmuck? Hab ich nichts mit am Hut – dachte ich, bis ich die tollen Schmuckdesigner kennen gelernt habe, die größtenteils keinen eigenen Laden haben. Schmuckmuseum? Gähn. Und „hust“ wegen dem Staub. Da habe ich mich aber gründlich getäuscht…

Denn das wird dem Schmuckmuseum absolut nicht gerecht, auch wenn man jetzt nicht zu den Menschen gehört, die stundenlang angesichts von Glitter und Glimmer in eine Art Schockstarre verfallen. Wer sich einmal durch das Schmuckmuseum hat führen lassen oder gar das Glück hat – sicher eines der Privilegien, wenn man als Pressevertreterin unterwegs ist –  gar mit  Museumsleiterin Cornelie Holzach durch die aktuelle Ausstellung zu gehen, der lässt sich dann doch anstecken von der Faszination.

Das ist mir nun wieder klar geworden, als ich einen Termin vereinbart habe, um etwas über die aktuelle Ausstellung zu schreiben. Alexander von Humboldt hat keinen Schmuck im Sinn gehabt, vielmehr ist er im Dreck rumgekrochen, um zu seiner Zeit Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Naturforscher jedes Blatt umzudrehen und zu zeichnen. Obwohl es dabei nicht um Schmuck geht (damit hätte er sich ja nur verheddert im brasilianischen Regenwald) findet er Erwähnung im Museum. Und noch einer, der im gleichen Jahr (1769) geboren wurde und die Welt aus den Angeln gehoben hat, wenn auch ganz anders, „herrscht“ derzeit im Schmuckmuseum Pforzheim: Napoleon. Und der hat zwar auch nicht unbedingt nach Schmuck geschielt, war eher mit strategischen Gedankenspielen beschäftigt, aber war wohl sehr großzügig, was seine zu schmückenden Frauen betrifft. Napoleon, France first könnte man fast sagen angesichts seines Machthungers und seiner Feldzüge, das ist doch der kleine Dicke? Von wegen. Das stimmt nicht. Wie manches sich falsch in den Köpfen festgesetzt hat. Also, ein Basketballspieler wäre er wohl kaum geworden, aber mit einer Körpergröße von 1,70 bis 1,75 Meter war er jetzt auch nicht gerade ein Zwerg. Aber eines stimmt: Seine Nase war spitz und außergewöhnlich (sexy). Dass er sich gern wie einen antiken Herrscher darstellen ließ, auch das kann man neben den ganzen Preziosen im Schmuckmuseum sehen. Und wer Napoleon Bonaparte mitnehmen will und sich keine staubtrockenen Augen beim Lesen holen möchte, der hat mit Sicherheit Spaß an dem kleinen Taschenbuch „Napoleon  – Der unersättliche Kaiser“ von Harald Parigger – aus der Reihe „Lebendige Geschichte“ des Arena-Verlags (ISBN-Nummer 978-3-401-06831-2; 8,99 Euro). Schon das Titelbild ist „zum Piepen“: Napoleon – mit der unvermeidlichen quer sitzenden Kopfbedeckung kann deshalb seine Hand nicht in der typischen Pose zwischen die Knöpfe der Uniformjacke stecken, weil er gerade damit beschäftigt ist, eine mit der Weltkarte bedruckte Tischdecke samt Zinnsoldaten vom Tisch zu ziehen. Das Buch liest sich in einem Rutsch und man weiß danach nicht, soll man sich angesichts dieses Mannes, der über Leichen marschiert ist, um an sein Ziel zu kommen schütteln oder soll man fasziniert sein. Napoleon hat schließlich auch schlechte Sachen wie die Kleinstaaterei über den Haufen geworfen und den Adel vom hohen Ross gezogen. Die Ausstellung im Schmuckmuseum wurde verlängert bis zum 14. Juni – der Kleine, äh Große, darf also noch ein bisschen länger im Amt bleiben. Vive la France! 🙂

Harald Parigger: „Napoleon  – Der unersättliche Kaiser“ – aus der Reihe „Lebendige Geschichte“ des Arena-Verlags, ISBN-Nummer 978-3-401-06831-2; 8,99 Euro

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