In der Hotline

Ohren auf!

Die Aufgabe ist klar: Telefonieren bis zum Abwinken. Dabei wird es aber weder um die neueste Mode oder den letzten Termin für die Tageszeitung gehen, auch nicht darum, was an Freizeitaktivitäten geplant ist. Es geht nur um eines: Corona. Und darum, Menschen zu beruhigen.

Ups, kann ich das? Ich bin ja auch verunsichert und nervös. Z.B. wie es mit meiner Existenz weitergeht, ob ich die Krise als freie Journalistin mit meinem Redaktionsbüro ROTHstift überstehe. Man kann ja noch so sehr den Griffel spitzen, wenn alles weg fällt. Und jeder Freelancer weiß, wie schwer freie Themen sind, bei denen man viel recherchieren, telefonieren muss… bei denen es dauert, bis man den Chef an der Strippe hat, der dann wiederum erlaubt, dass man mit dem Untergebenen spricht…. wenn man vorab die Fragen gemailt hat… und so weiter. Viel Zeit für wenig Geld. Aber: Telefonieren ohne stottern kann ich. Das steht schon mal fest.

Reden kann ich. Reicht das?

Und Reden und von meiner Person überzeugen offenbar auch: Dadurch bin ich an einen etwas ungewöhnlichen Job gekommen, durch Vermittlung eines Kollegen. Ein Job in ganz offizieller Mission, mit einer ganz offiziellen Zutrittskarte, für ein ganz offizielles Amt. Für dieses darf ich telefonieren, telefonieren, telefonieren. Eine stundenweise Arbeit, die mich auch ein Stück weit als Selbständige über Wasser hält und wenigstens teilweise den Lebensunterhalt sicher, außerdem überaus sinnvoll ist: die Corona-Hotline. Ein Telefon, ein Computer mit Internetzugang, ein Headset warten auf mich. Ohne das jemals gemacht zu haben: Klar ist, dass die Gesprächspausen überschaubar werden.

In der Ruhe liegt wirklich die Kraft

Und dann geht es los. Die ersten zwei, drei Gespräche stellt man fest, dass man noch etwas unsicher ist. Was soll man raten? Wie die Angst und die Unsicherheit nehmen? Die Verantwortung, das Richtige zu vermitteln und dazu beizutragen, dass sich das Virus zumindest nicht so explosionsartig verbreitet, die lastet die ganze Zeit auf einem. Ich will es so gut wie möglich machen. Was gut wirkt: den Namen wiederholen, zuhören, Ruhe vermitteln.

Nein, ich werde und ich darf nicht über Herr XY sprechen oder schreiben, der in XY wohnt und sich fragt, ob er einen Test braucht, weil es im Hals kratzt. Nein, ich kann nichts mitteilen über Frau XY aus XY, die wissen will, ob es in ihrer Gemeinde Infizierte gibt, neben denen sie im Supermarkt stehen könnte. Ob derjenige dann tatsächlich aus ihrer Gemeinde ist, ist die andere Frage… Und Nein, der Hausarzt hat nicht das Richtige getan, indem er seinen Patienten mit Kribbeln in den Beinen zum Gesundheitsamt schickt. Das wäre neu, dass das ein Symtom für eine Erkrankung ist.

Gesunde Renter sind noch am besten dran

Sagen wir es mal so, die Rentner, denen es gut geht, die keine Vorerkrankungen haben, sind wohl noch am besten dran. Familien, die mit ihren Kindern die häusliche Isolation von 14 Tagen auf sich nehmen – da wird es wohl schon eng. Und je näher ein Infizierter ist oder gewesen ist, desto größer auch die Unsicherheit. Bei Privatleuten, bei Arbeitnehmern, bei Arbeitgebern. (By the way: Was echt skurill ist, ist die Tatsache, dass das Buch „Die Pest“ von Albert Camus ein große Beachtung findet. Parallelen zur Pest? Durchaus: Nur mit einer großen Solidarität gegenüber jedem Einzelnen ist die Pandemie zu bewältigen.)

Die Firmen und Einzelhändler tun mir leid

Und ja, sie tun mir unendlich leid, die Unternehmen und Einzelhändler, die Firmenchefs mit ihrem Mitarbeiterstab, die Betreiber von Solarien und Cafés, die jetzt verunsichert sind; die Arbeitnehmer, die nicht wissen, wie es weitergeht. Zuhören, beruhigen, informieren, aufklären. Und das fünf Stunden am Stück. Da kommt man nicht zum Nachdenken. Ich gehe zwar mit einem befriedigenden Brummen im Magen aus dieser ersten Schicht; mit der Hoffnung, ein Stück weit dazu beigetragen zu haben, dass Menschen das Gefühl bekommen, ihnen wird geholfen. Aber als ich dann in die fast menschenleeren Straßen schaue, an einem wunderschönen Frühlingstag, an dem die Menschen eigentlich mit prall gefüllten Einkaufstaschen vom Shopping aus den Läden kommen, sich plappernd vor dem Eis-Café unterhalten müssten… da schnürt es einem schon etwas die Kehle zu. Fühlt sich komisch an. Und keiner weiß, wie lange.

Lachen tut aber auch oder gerade jetzt gut

Zum Schluss noch etwas zum Schmunzeln oder gar Lachen gefällig? Bei uns kloppen sich die Leute um Klopapier – in Bremen musste die Polizei in einem Drogeriemarkt einschreiten, weil jemand ausgerastet ist, der mehr als eine erlaubte Packung mitnehmen wollte – und in Frankreich gehen Rotwein und Kondome aus. Das ist der Unterschied.

 

 

 

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